ausschnitte aus "durchwachsen bis erwachsen"
published in “das wetter” magazin, 2023
Die zweite Nacht in Folge in der ich träume, dass er plötzlich richtig fies zu mir ist. Ich versuche meine Härte mit meinen Ängsten zu erklären. Er fühlt sich trotzdem angegriffen, wird so hart zu mir, wie Ich’s schon lange bin. Wer kann es ihm verübeln? Am Ende sitzen wir beide in unseren Ecken, in die wir uns gedrängt fühlen und sehnen uns nach der Umarmung des sich-verstanden-fühlens. Aber da steht zu viel dazwischen, fremde Sprache, andere Bedürfnisse, keine Worte, er nicht mal in seiner eigenen Sprache, glaube ich.
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Irgendwer hat mal gesagt, in der Hölle sitzen alle genau wie im Himmel an einer Tafel mit ganz viel Essen, aber zu langen Löffeln. In der Hölle verhungern sie, weil sie die langen Löffel nicht zum Mund führen können, im Himmel haben sie gelernt sich zu füttern. Wir sitzen hier, dazwischen und mästen uns mit Unsicherheit, zum kotzen.
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Die wahre Kunst ist, den Leuten das Gefühl zu geben, man sei sich dessen, was man tut, sicher. Wie eine Starring Competition. Alle schweigen, haben Angst das Falsche zu sagen, etwas das entlarven könnte, dass sie nicht verstanden haben, worum es geht. Ganz egal wie laut sie schweigen, ich schweige lauter. Lass meine Arbeit für sich sprechen. Wenn ihrs nicht versteht, habt ihrs nicht kapiert, denken sie, das ich denke. Eigentlich stehe ich in Schockstarre, aus Angst niemanden berührt zu haben, obwohl ich doch alles gegeben habe. Und da sitzen wir wieder, an der Tafel und füttern schweigend Unsicherheiten.
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Wohin soll das laufen? Alle am Ertrinken, am Luft schnappen und sich wundern, warum keiner kommt und hilft. Aber die anderen ersaufen ja auch, direkt daneben. Es funktioniert nicht. Wenn wir warten, bis wir erst selbst wieder ruhig atmen, bevor wir anderen helfen, sind am Ende alle tot. Weil alleine klappt das nicht. Jeder in seiner Großstadt-Zelle, in seinem Sog. Wir müssen geben, ohne was zurückzuerwarten, kollektiv auch atemlos. Wie im Himmel füttern, ohne an den eigenen Hunger zu denken.
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Ich lieg in meiner Jacke, auf dem Dachboden, auf der Couch, auf seiner Brust. Er sagt Sachen, die mich interessieren, dann fass ich seinen Penis an, gefällt ihm, bis er’s nicht mehr halten kann. Und dann erzähl ich Sachen, die ihn glaube ich interessieren und dann halten wir uns in der Hocke an den Händen, um seinen unteren Rücken zu dehnen und intimer wird’s eigentlich nicht mehr. Und jetzt? Der graue Himmel dämpft alles, macht alles dumpfer, egaler? Weniger Aufregung, egal warum, tut gut.
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Es ist ein Raub des Vertrauens generell, den ich hier betrauere. Mit jeder dieser Pfeifen in meinem Leben werde ich ein wenig misstrauischer. Ist ja gut, alles andere wäre naiv. Eigentlich bin ich nur wütend Teil einer Welt zu sein, in der alles außer Misstrauen bisschen naiv wäre.
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Heute Nacht habe ich geträumt, dass ich mit einer Frau in einem Cabrio gefahren bin. Sie nahm eine Tablette, ich wollte auch eine. Sie gab mir 10 und wollte Geld. Ich weiß nicht, was ich dachte, dass es sei, aber irgendwas harmloses, wie Nahrungsergänzungsmittel. Ich meinte ich brauche nicht so viel, ich nehme schon Vitamin D. Sie lachte, denn die Pillen hatten dieselbe Wirkung, wie wenn man auf einem lichtdurchfluteten Bauernhof lebt, sich geliebt und gebraucht fühlt und in guter Verbindung mit sich und seinem Umfeld steht. Zwischen Oktober und Mai waren alle in der Stadt total drauf. Wir nahmen die Pillen auf meinem rosa Teppich und landete auf dem Bauernhof, ohne den Teppich zu verlassen. Das ganze warme Licht strahlte durch alles und erfüllte uns mit ruhiger Lebendigkeit. Am Ende wurde ich weder von den Pillen noch von ihm abhängig, sondern zog mit L und V auf den Bauernhof.
ausschnitte aus "im land der ungenutzten möglichkeiten"
published in “das wetter” magazin, 2023
Die zweite Nacht in Folge in der ich träume, dass er plötzlich richtig fies zu mir ist. Ich versuche meine Härte mit meinen Ängsten zu erklären. Er fühlt sich trotzdem angegriffen, wird so hart zu mir, wie Ich’s schon lange bin. Wer kann es ihm verübeln? Am Ende sitzen wir beide in unseren Ecken, in die wir uns gedrängt fühlen und sehnen uns nach der Umarmung des sich-verstanden-fühlens. Aber da steht zu viel dazwischen, fremde Sprache, andere Bedürfnisse, keine Worte, er nicht mal in seiner eigenen Sprache, glaube ich.
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Irgendwer hat mal gesagt, in der Hölle sitzen alle genau wie im Himmel an einer Tafel mit ganz viel Essen, aber zu langen Löffeln. In der Hölle verhungern sie, weil sie die langen Löffel nicht zum Mund führen können, im Himmel haben sie gelernt sich zu füttern. Wir sitzen hier, dazwischen und mästen uns mit Unsicherheit, zum kotzen.
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Die wahre Kunst ist, den Leuten das Gefühl zu geben, man sei sich dessen, was man tut, sicher. Wie eine Starring Competition. Alle schweigen, haben Angst das Falsche zu sagen, etwas das entlarven könnte, dass sie nicht verstanden haben, worum es geht. Ganz egal wie laut sie schweigen, ich schweige lauter. Lass meine Arbeit für sich sprechen. Wenn ihrs nicht versteht, habt ihrs nicht kapiert, denken sie, das ich denke. Eigentlich stehe ich in Schockstarre, aus Angst niemanden berührt zu haben, obwohl ich doch alles gegeben habe. Und da sitzen wir wieder, an der Tafel und füttern schweigend Unsicherheiten.
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Wohin soll das laufen? Alle am Ertrinken, am Luft schnappen und sich wundern, warum keiner kommt und hilft. Aber die anderen ersaufen ja auch, direkt daneben. Es funktioniert nicht. Wenn wir warten, bis wir erst selbst wieder ruhig atmen, bevor wir anderen helfen, sind am Ende alle tot. Weil alleine klappt das nicht. Jeder in seiner Großstadt-Zelle, in seinem Sog. Wir müssen geben, ohne was zurückzuerwarten, kollektiv auch atemlos. Wie im Himmel füttern, ohne an den eigenen Hunger zu denken.
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Ich lieg in meiner Jacke, auf dem Dachboden, auf der Couch, auf seiner Brust. Er sagt Sachen, die mich interessieren, dann fass ich seinen Penis an, gefällt ihm, bis er’s nicht mehr halten kann. Und dann erzähl ich Sachen, die ihn glaube ich interessieren und dann halten wir uns in der Hocke an den Händen, um seinen unteren Rücken zu dehnen und intimer wird’s eigentlich nicht mehr. Und jetzt? Der graue Himmel dämpft alles, macht alles dumpfer, egaler? Weniger Aufregung, egal warum, tut gut.
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Es ist ein Raub des Vertrauens generell, den ich hier betrauere. Mit jeder dieser Pfeifen in meinem Leben werde ich ein wenig misstrauischer. Ist ja gut, alles andere wäre naiv. Eigentlich bin ich nur wütend Teil einer Welt zu sein, in der alles außer Misstrauen bisschen naiv wäre.
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Heute Nacht habe ich geträumt, dass ich mit einer Frau in einem Cabrio gefahren bin. Sie nahm eine Tablette, ich wollte auch eine. Sie gab mir 10 und wollte Geld. Ich weiß nicht, was ich dachte, dass es sei, aber irgendwas harmloses, wie Nahrungsergänzungsmittel. Ich meinte ich brauche nicht so viel, ich nehme schon Vitamin D. Sie lachte, denn die Pillen hatten dieselbe Wirkung, wie wenn man auf einem lichtdurchfluteten Bauernhof lebt, sich geliebt und gebraucht fühlt und in guter Verbindung mit sich und seinem Umfeld steht. Zwischen Oktober und Mai waren alle in der Stadt total drauf. Wir nahmen die Pillen auf meinem rosa Teppich und landete auf dem Bauernhof, ohne den Teppich zu verlassen. Das ganze warme Licht strahlte durch alles und erfüllte uns mit ruhiger Lebendigkeit. Am Ende wurde ich weder von den Pillen noch von ihm abhängig, sondern zog mit L und V auf den Bauernhof.